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8. September 2023, 11:25

Jérôme Kym – Auf Umwegen an die Weltspitze?

«Heute geht es mir gut. Die letzte Zeit war aber nicht leicht und von vielen Höhen und Tiefen geprägt», sagt Jérôme Kym im Gespräch mit Swiss Tennis. Tatsächlich hat der 20-jährige Fricktaler herausfordernde Monate hinter sich. Aber alles der Reihe nach.

Das Jahr 2022 verläuft für Kym lange nach Plan. Das Talent, das einst im Alter von 15 Jahren sein Debut im Davis Cup feierte – er ist damit bis heute der jüngste Schweizer aller Zeiten – etabliert sich mit starken Resultaten bei den Profis und macht in der Weltrangliste mehr als 700 Plätze gut. Ende Oktober bestreitet der Nordwestschweizer, mittlerweile die Weltnummer 419, dank einer Wildcard die Qualifikation zu den Swiss Indoors in Basel. Gegen den Serben Laszlo Djere, damals die Nummer 75 der Welt, erspielt er sich einen Matchball, verliert am Ende aber doch. Viel schlimmer als die knappe Niederlage: Für Jérôme Kym sollte es für längere Zeit die letzte Partie bleiben. Eine Fehlstellung der linken Kniescheibe und Probleme mit der Patellasehne setzen ihn ausser Gefecht. Monatelang heisst es Reha statt Matches, Krücken statt Racket, Geduld statt Siege.

Furioses Comeback in Italien

Doch der junge Mann, der seit drei Jahren im österreichischen Kitzbühel lebt und trainiert, zeigt sich kämpferisch: «Natürlich werfen mich solche Verletzungspausen zurück. Sie bringen mich aber nicht von meinem Weg ab. Sowieso glaube ich, dass alles aus einem bestimmten Grund passiert.» Ende März 2023, anderthalb Monate nach seinem 20. Geburtstag, meldet Kym sich zurück. Und wie. Beim ITF-Turnier im italienischen Trento gibt er nicht nur sein Comeback, er stürmt sogleich zum ersten Titelgewinn als Profi. Ein Erfolg aus heiterem Himmel, auch für den Athleten selbst: «Ich bin mit nur drei Shirts, vier Hosen, vier Socken, vier Unterhosen, zwei Schweissbänder und einem Pullover nach Italien gereist. Kurz: Ich war ausgerüstet wie ein Tourist und habe schlicht nicht damit gerechnet, lange im Turnier zu verbleiben. Schon nach der zweiten Runde gingen mir die Kleider aus und ich musste jeweils im Lavabo des Hotelzimmers meine Wäsche waschen.» Nicht nur deshalb wird der Jungprofi die Woche in Italien so schnell nicht mehr vergessen. Rückblickend spricht er von einem einmaligen Gefühl: «Noch nie konnte ich bei einem Turnier so komplett ohne Hemmungen spielen wie in dieser Woche. Ich war überhaupt nicht nervös, komplett locker und frei von jeglichen Erwartungen. Es war die pure Freude am Tennisspielen. Da habe ich wieder einmal so richtig realisiert, wie sehr ich diesen Sport liebe und wie sehr er mir fehlt, wenn ich ihn nicht ausüben kann.»

Erneuter Rückschlag im Sommer

Auch die darauffolgenden drei Monate verlaufen erfreulich. Kym weiss unter anderem mit starken Auftritten und Resultaten bei ATP-Challenger-Turnieren zu überzeugen und stösst in die Top-350 der Weltrangliste vor. Und dann im Juli der Schock. Das Knie spielt schon wieder nicht mit. Jetzt muss der bereits in jungen Jahren leidgeprüfte Tennisspieler sogar unters Messer. Körper und Psyche leiden: «Ich konnte die Situation in den ersten Wochen nicht akzeptieren. Ich wollte nicht wahrhaben, dass ich wieder für längere Zeit nicht spielen kann und stattdessen eine weitere Reha ansteht. Irgendwann habe ich aber gecheckt, dass es ohne nicht geht. Mein Umfeld hat mir dabei sehr geholfen.» Zahlreiche Gespräche mit der Mutter und der Freundin, aber auch mit Davis-Cup-Captain Severin Lüthi und Swiss-Tennis-Headcoach Michael Lammer, lassen Kym neuen Mut schöpfen. Seit einiger Zeit arbeitet dieser ausserdem mit einem Mentaltrainer zusammen, der ihm zusätzlich hilft, mit dem Erlebten umzugehen.

Die Weltspitze im Visier

Heute geht es Jérôme Kym den Umständen entsprechend gut. Doch während seine Kollegen und Kontrahenten um Siege und Titel spielen, muss er sich ganz andere Ziele setzen. «Es geht jetzt in erster Linie darum, wieder richtig gesund zu werden. Dann werde ich neu lernen müssen, mich richtig auf dem Platz zu bewegen. Davor ist an Tennisspielen nicht zu denken. Ich freue mich aber schon jetzt darauf, wieder die ersten Bälle zu schlagen», blickt der Rekonvaleszente positiv in die Zukunft. An den langfristigen Plänen hat sich trotz den Rückschlägen ohnehin nichts geändert. Wieso auch, Kym weiss um sein Potenzial. 2017 kürte er sich mit dem Schweizer Team zum U14-Weltmeister und bezwang dabei im Final einen gewissen Carlos Alcaraz. In den darauffolgenden Juniorenjahren attestierte man ihm mindestens genauso viel Talent wie seinen Landsleuten und Weggefährten Dominic Stricker und Leandro Riedi. Diese stehen heute bereits an der Schwelle zu den besten 100 Spielern der Welt. «Ich freue mich mit ihnen über ihre Erfolge. Sie verdienen sich diese mit ihrer harten Arbeit. Schlussendlich wollen wir alle an die Weltspitze. Mein Weg verläuft halt jetzt etwas anders als ihrer. Das ist vollkommen in Ordnung.»    




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