Stammbach spricht dabei über die verschiedensten Themen, mit denen sich der Verband derzeit befasst – vom Spitzensport über finanzielle Herausforderungen bis hin zu neuen Wettkampfformaten im Breitensport und Padel. Nachfolgend lest ihr einen Ausschnitt aus dem präsidialen Gespräch.
René Stammbach, in Wimbledon waren zuletzt gerade einmal zwei Schweizerinnen und ein Schweizer im Hauptfeld der Profis vertreten. Wie beurteilst du derzeit die sportliche Lage der Tennisnation Schweiz?
Wir wurden in den letzten 40 Jahren natürlich verwöhnt. Mit Namen wie Hlasek, Rosset, Günthardt, Hingis und Schnyder waren wir bereits vor Roger Federer stets ganz vorne in der Weltspitze präsent. Und was wir dann während 20 Jahren mit Federer und Wawrinka erleben durften, wird es wohl kein zweites Mal geben. Logisch müssen wir aktuell etwas kleinere Brötchen backen. Dennoch gibt es derzeit je sieben Spielerinnen und Spieler aus der Schweiz, die gemessen an ihrer Weltranglistenposition das Potenzial haben, im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers zu spielen. Das ist schon sehr respektabel. Verglichen mit Nationen wie Italien, die jeweils zu Dutzenden bei den grossen Turnieren vertreten sind, hinken wir aber natürlich etwas hinterher.
Was können wir in der Schweiz von den angesprochenen Italienern lernen?
In einem Punkt versuchen wir derzeit tatsächlich, die Italiener zu kopieren. Sie haben es geschafft, mit zahlreichen Turnieren im eigenen Land viele ihrer Spielerinnen und Spieler nach vorne zu bringen. Nicht zuletzt die Jungen profitieren von Wild Cards und von der Möglichkeit, internationale Turniere ohne grosse Reiseaufwände zu bestreiten und dabei wichtige Punkte für die Weltrangliste zu gewinnen. Diesen Weg haben wir in der Schweiz auch eingeschlagen – mit ersten Erfolgen. Dominic Stricker beispielsweise erspielte auf seinem Weg in die Top-100 viele seiner Ranglistenpunkte auf Schweizer Boden. Ich bin optimistisch, dass es ihm viele seiner Landsleute in naher Zukunft gleichtun können.
Zentral für den Erfolg ist auch die Nachwuchsarbeit. Diese wird in der Schweiz nicht zuletzt im Nationalen Leistungszentrum von Swiss Tennis in Biel geleistet. Kürzlich wurde das NLZ von der ITF mit dem Gold-Label ausgezeichnet – als erst vierte Nation nach Frankreich, England und den USA.
Das zeigt, dass wir in Biel eine valable Infrastruktur haben, die sich weltweit mit den Besten messen kann. Und es ist, das freut mich sehr, eine Auszeichnung für unsere hervorragenden Coaches, die tagtäglich mit den Talenten arbeiten. Wir sind diesbezüglich auf einem sehr guten Weg und stolz, das Gold-Label der ITF erhalten zu haben. Dass von insgesamt 211 nationalen Verbänden nur wir und drei Grand-Slam-Nationen ein solches Label haben, zeigt den Wert dieser Auszeichnung.
Im Juni hatte Swiss Tennis nach dem Konkurs von Main Partner FlowBank einen finanziellen Rückschlag zu verkraften. Wie stark hat der Wegfall des Sponsors den Verband getroffen?
Wenn wir einen von fünf Main Partnern verlieren, dann trifft uns das, keine Frage. Aber es ist wie in der Wirtschaft: Wenn du einen Kunden verlierst, dann musst du einen neuen gewinnen. Das stellt für uns eine grosse Herausforderung dar, die mich und mein Team fordert aber auch motiviert. Ich denke, wir werden in der Lage sein, den Wegfall bis Ende dieses Jahres kompensieren zu können.
Reden wir über den Breitensport: 2023 gab es in der Schweiz 52 951 lizenzierte Tennisspielerinnen und Tennisspieler – so viele wie seit 2014 nicht mehr. Ausserdem wurden im Vergleich zum Vorjahr 10% mehr Turniere ausgetragen. Diese Entwicklungen müssen dir gefallen!
Grundsätzlich schon. Wenn ich uns mit anderen Ländern vergleiche, müssen wir die Trauben aber definitiv noch höher hängen. In den Niederlanden beispielsweise wächst die Zahl der Lizenzierten jährlich um 10-12 Prozent. Vor kurzem habe ich ausserdem mit dem italienischen Verbandspräsidenten gesprochen. Er erzählte mir, dass sie seit den Erfolgen von Jannik Sinner Lizenzen ohne Ende verkaufen und dass die Leute in grosser Zahl Kurse buchen, um selbst mit dem Tennisspielen zu beginnen. Leider lassen sich die Schweizerinnen und Schweizer etwas weniger mitziehen von den grossen Aushängeschildern, das haben wir bei Roger Federer gesehen. Dennoch versuchen wir die Grundlagen zu legen, um noch mehr Menschen zum Tennisspielen zu animieren. Im Herbst lancieren wir etwa ein neues Wettkampfformat, welches es erlauben wird, klassierungsrelevante Matches direkt und unkompliziert untereinander zu organisieren. Auch im Bereich Marketing arbeiten wir daran, noch mehr Leute zu erreichen.
Letztes Jahr hat Swiss Tennis die Sportart Padel in seine Statuten aufgenommen. Aktuell baut der Verband ein entsprechendes Angebot auf. Warum?
Die Sportart Padel wächst derzeit weltweit deutlich schneller als Tennis. Ich nenne Schweden als Beispiel, wo es vor 20 Jahren noch einen oder zwei Padel-Plätze gab. Nun sind es dort bereits mehr als tausend. Eine ähnliche Entwicklung registrieren wir in der Schweiz, was uns ganz direkt betrifft. In der Westschweiz befinden sich rund 80 Prozent der Padel-Plätze in Swiss Tennis angeschlossenen Clubs und Centers. Auch in der Deutschschweiz trifft dies auf rund die Hälfte aller Courts zu. Wir schulden es also unseren Mitgliedern, sie hier zu unterstützen.