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27. März 2024, 10:19

Alle lieben Iga – Ein Gespräch über das polnische Tennis und dessen Superstar

Adam Romer ist Chefredaktor beim grössten polnischen Tennismagazin «Tenisklub» und arbeitet schon seit 1997 als Sportjournalist. Im Interview mit Swiss Tennis erklärt der gebürtige Warschauer, wie es um den Tennissport in Polen steht, warum die Schweiz im Billie Jean King Cup nur eine Zwischenstation sein soll und weshalb einfach jeder und jede im Land Iga Swiatek mag.
Adam Romer, welchen Stellenwert hat der Tennissport in Polen? 

Das Interesse am Tennis hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Die grossen Erfolge von Iga Swiatek haben im Land einen regelrechten Boom ausgelöst. Viele Kinder, aber auch Erwachsene, die davor mit dem Sport nichts am Hut hatten, haben mit dem Tennisspielen begonnen. Rund 300 000 Polinnen und Polen spielen heute regelmässig, vor einigen Jahren waren es noch etwa halb so viele. Ich gehe davon aus, dass sich dieser Trend auch in den nächsten Jahren fortsetzen wird.

 

Sie sprechen Iga Swiatek an. Sie ist aktuell die Nummer 1 der Welt und hat im Alter von erst 22 Jahren bereits vier Grand-Slam-Turniere gewonnen. Welches Ansehen geniesst sie in Polen? 

Iga ist der Liebling der Massen und dies nicht nur ihrer sportlichen Erfolge wegen. Mit ihrer Art kommt sie bei allen gut an. Sie ist sympathisch, intelligent, bescheiden und stets aufs Wesentliche fokussiert. Die Leute merken, dass sie trotz ihrer vielen Siege am Boden geblieben ist – fast ein bisschen wie bei Roger Federer. Auf den Strassen Polens kann Iga sich kaum noch frei bewegen, die Menschen erkennen sie mittlerweile überall. Ich durfte schon einige Interviews mit ihr führen. Man kann sich mit ihr über weit mehr als nur Tennis unterhalten, was sie zu einer extrem spannenden Persönlichkeit macht.   

Nach zwei Jahren Absenz kehrt Iga Swiatek für die Begegnung mit der Schweiz ins Billie Jean King Cup Team zurück – warum? 

Einerseits ist es ihr wichtig, ihr Land zu vertreten. Das wäre es ihr übrigens auch in den letzten beiden Jahren gewesen, Terminkollisionen mit den WTA-Finals liessen einen Einsatz im Billie Jean King Cup jeweils aber nicht zu. Andererseits braucht Iga diesen Einsatz nun unbedingt, um im Sommer bei den olympischen Spielen in Paris antreten zu dürfen. Bekanntlich wird dann auf der Anlage von Roland Garros gespielt, wo sie drei ihrer bisher vier Grand-Slam-Titel feiern konnte. Mit Olympia hat die Familie Swiatek ausserdem noch zwei Rechnungen offen: Vater Tomasz nahm als Ruderer bei den Spielen 1988 in Seoul teil und verpasste eine Medaille knapp. Iga selbst gehörte 2021 in Tokyo zu den Favoritinnen, verlor aber bereits in der zweiten Runde. Die Enttäuschung war damals so gross, dass sie nach ihrem Match noch minutenlang weinend auf der Bank sitzen blieb. Dazu muss man wissen, dass olympische Medaillen in Polen einen unglaublich hohen Stellenwert haben.  

Nicht nur dank Iga Swiatek verfügt Polen im Billie Jean King Cup über ein enormes Potenzial! 

Richtig, mit Magda Linette (WTA 48) und Magdalena Frech (WTA 53) wissen wir zwei weitere Spielerinnen in unseren Reihen, die man zur erweiterten Weltspitze zählen darf. Linette ist sehr erfahren und stand 2023 beispielsweise im Halbfinal der Australian Open. Frech hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich nach vorne gearbeitet und ist aktuell besser rangiert denn je. Ich denke, das Team hat in dieser Zusammensetzung nicht nur das Potenzial, sich für die Finals zu qualifizieren, sondern auch jenes, diese zu gewinnen. Es wird aber vieles davon abhängen, ob Iga Swiatek auch bei den Finals dabei sein wird. 

Sie haben zu Beginn die rund 300 000 aktiven Tennisspieler:innen in Polen erwähnt. Gemessen an den fast 38 Millionen Einwohner:innen des Landes ist dies nach wie vor eine eher kleine Zahl. Zum Vergleich: In der kleinen Schweiz gibt es rund doppelt so viele Spieler:innen. Wie kommt es, dass Polen an der Weltspitze dennoch so zahlreich vertreten ist? 

Eine schwierige Frage, die sich nicht pauschal beantworten lässt. Es ist nämlich nicht so, dass der polnische Verband in der Nachwuchsförderung eine besonders gute Arbeit leisten würde. Da fehlen die klaren Pläne und Strategien. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass die breite Masse an richtig guten Spielerinnen und Spielern in Polen fehlt, womit es etwas leichter fällt, sich auf die grössten Talente zu konzentrieren. Die Erfolge der Einzelnen resultieren daher wohl eher aus individuellen Förderungen. Dabei gehen die Spielerinnen und Spieler alle ihren eigenen Weg. Iga Swiatek zum Beispiel unterschrieb schon als Teenagerin einen Vertrag mit einer grossen Sportagentur. Diese ermöglichte es ihr, ihre Entwicklung zusammen mit den Eltern fokussiert und zielgerichtet voranzutreiben. Im Vergleich dazu war etwa Hubert Hurkacz, der bei den Männern derzeit zu den besten Zehn der Welt gehört, eher ein Spätzünder. Bis zum 16. Lebensjahr war er in Polen nie die Nummer 1 seines Jahrganges und plötzlich startete er durch. So kann es eben auch gehen und sicher spielt immer auch der Zufall mit.   

Zurück zum Billie Jean King Cup: Die Polinnen gehen als klare Favoritinnen ins Duell mit der Schweiz – einverstanden?  

Ja, ehrlichgesagt gehen wir in Polen schon davon aus, dass unser Team gewinnen wird. Ich kann mich aber noch gut an die letzte Begegnung mit der Schweiz bei uns in Zielona Góra erinnern. 2015 setzten sich Viktorija Golubic und Timea Bacsinszky im entscheidenden Doppel gegen die favorisierten Agnieszka Radwanska und Alicja Rosolska durch, obwohl sie den ersten Satz noch verloren hatten. Im Tennis ist also immer alles möglich – auch wenn die Rollen in diesem Jahr klar verteilt scheinen.  

 
Die Billie Jean King Cup Qualifiers zwischen der Schweiz und Polen werden am 12. und 13. April 2024 in der Jan Group Arena in Biel ausgetragen. Sichern Sie sich jetzt Ihre Tickets für die Begegnung! Alle Informationen zum Vorverkauf finden Sie hier. Das Securitas Team Schweiz freut sich auf Ihre Unterstützung!
 

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